Wenn du einfach nur da stehst...

Ich sitze im Unterricht. Der Lehrer erzählt mir etwas über Differenzialrechnung. Ich arbeite fleißig mit, aber mir ist langweilig. Ich kenne das Thema und ich bin gut darin, naja zufriedenstellend. Mein Kopf ist allerdings nur bei dir. Ich merke, wie meine Gedanke beginnen abzuschweifen. Sie wollen zu dir gehen und für immer bei dir bleiben, ganz einfach, weil ich für immer bei dir bleoben will.

Der Unterricht rückt in den Hintergrund. Ich werde aufgerufen, jedoch kann ich nicht antworten, weil ich nicht aufgepasst habe. Ich stottere irgendetwas, was mir meine beste Freundin zuflüstert, jedoch weiß ich selber nicht so richtig, was ich sage. Auf einmal klopft es an der Tür und du kommst herein. Du schließt die Tür und lehnst dich in den Türrahmen. Du siehst wie immer so unglaublich gut aus. Viel zu gut um wahr zu sein.

Du stehst da einfach nur, doch für mich geht mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung. Nähmlich einfach dich zu sehen und deine Stimme zu hören. Deine sanfte Stimme. Es ist, als würde ich mein Lieblingslied hören, denn deine Stimme ist mein Lieblingslied. Du redest kurz mit dem Lehrer. Ich höre nicht was du sagst, sondern höre nur deine Stimme. Mehr kann mein Kopf gerade nicht verarbeiten. Es ist so wie immer, wenn du bei mir bist. Ich denke nicht mehr, ich fühle nur noch.

Deine Augen blitzen kurz auf, als du die Antwort des Lehrers vernimmst, dann lässt du deine Augen über die Klasse schweifen. Jedem einzelnen schaust du kurz an, bis dein Blick schließlich auf meinen trifft. Kurz verharrst du, schaust mir direkt in die Augen. Ich merke, wie meine Knie weich werden, wenn ich in den Tiefen deiner blaugrünen Augen ertrinke. Ich höre, wie du meinen Namen sagst und ich kann nicht umhin meine Augen für einen Moment zu schließen, um zu hören, was du mir zu sagen hast. "Ronja, kommst du mal bitte kurz mit?" Erstaunt schlage ich die Augen wieder auf.

Du willst, dass ich mit dir komme? Allein? Du und ich? Ich weiß nicht, ob ich das kann, geschweige denn ob ich das will. Aber was soll das, natürlich will ich mit dir gehen. Ich würde dir überall hin folgen, egal wohin. Ich schaue den Lehrer an, der mir mit einem Nicken symbolisiert, dass es okay sei, wenn ich dir folge. Also stehe ich auf und gehe an dir vorbei aus dem Raum, kein Ahnung wie ich das geschafft habe. Wahrscheinlich war der Wunsch bei dir zu sein größer, als meine Starre, die ich immer in deiner Nähe habe. Als die Tür meines Zimmers geschlossen ist, beugst du dich zu mir und flüsterst mir ins Ohr "Komm mit. Ich muss dir etwas zeigen."

Mein Herz kann schon gar nicht mehr in meiner Brust sein, so schnell klopft es. Ich schaue dich mit großen Augen an. Was könntest du mir denn schon zeigen? Ich habe dich nicht mehr im Unterricht und meine Facharbeit ist vorbei. Eigentlich hast du nichts mehr mit mir zu tun... Was könntest du nur von mir wollen, Paul Horx? Ich weiß, um das herauszufinden muss ich dir folgen, doch ich bleibe wie angewurzelt stehen.

Du läufst einige Schritte voraus und bermerkst, dass ich dir nicht folge. Ich weiß, dass du weißt, warum das so ist. Ich weiß, dass du weißt, dass ich dich liebe. Ich weiß, dass du weißt, dass dir mein Herz gehört. Und ich weiß, dass genau das der Grund ist, warum du mich sprechen willst. Aber ich weiß nicht, woher ich das weiß. Ich tippe auf Instinkt. Du drehst dich also um und lächelst mich an, aufrichtig und freundlich.

Ich vertraue dir und dein Lächeln erinnert mich daran. Meine Füße setzen sich in Bewegung und nach ein paar Metern bemerke ich, dass ich neben dir laufe. Wir laufen Seite an Seite. Ich habe das Gefühl, dass wir uns berühren, nur um festzustellen, dass wir tatsächlich Hand in Hand gehen. Als du merkst, wie ich auf unsere Hände starre bleibst du stehen. Wir sind vor deinem Raum angekommen.

Du entziehst mir deine Hand und ich öffne den Mund um zu protestieren, doch ich besinne mich eines Besseren und schweige. Oder ich bekomme einfach kein Wort heraus, weil ich in deiner Anwesenheit nicht wirklich sprechen kann. Ich sehe, wie du an deinem Schlüssel herumsuchst und stelle mal wieder fest, wie perfekt du in meinen Augen bist. Deine Verträumtheit, die mich schon von der ersten Sekunde an gefesselt hat, deine Bewegungen, anmutig und stolz, aber nicht arrogant und natürlich deine Augen, in denen ich dein strahlendes Lächeln sehen kann.

Du schließt deinen Raum auf und bittest mich hinein. Mekne Hand kribbelt immer noch von deiner Berührung. Moment mal, hatte ich dich oder du mich zuerst angefasst? In deinen Augen steht die Antwort und bevor ich etwas sagen kann, schließt du die Tür und komst auf mich zu. "Ich weiß, was du für mich empfindest.", flüsterst du mir ins Ohr. Ich erstarre. Du weißt es? Warum? Seit wann? Du bemerkst meine Anspannung und du musst schon wieder grinsen. Dieses Grinsen. Dein Grinsen. Es bringt mich noch um den Verstand. Du bringst mich noch um den Verstand.

"Ich also..." Mehr bringe ich nicht über die Lippen. Ich glaube das sind die ersten Worte, die ich heute mit dir gewechselt habe, abgesehen von unserem täglichen "Hallo" im Bus. Du lachst, weil ich einfach nichts weiter sagen kann und ich laufe noch röter an, als ohnehin schon. Warum musst du nur so toll sein? Aber es ist nicht nötig, dass ich etwas sage, denn du sprichst genau aus, was ich denke, was ich fühle... "Ich kann dich nicht einfach nur von der Ferne aus ansehen. Ich möchte immer, wenn ich dich sehe, das tun..."

In diesem Moment, beugst du dich runter zu mir und küsst mich. Du, meine erste große Liebe, ein Lehrer meiner Schule, der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Du stehst hier mit mir in der Schule, in deinem Raum und küsst mich. Jetzt ist es vorbei mit mir. Meine Beine geben nach. So viel kann ich nicht auf einmal fühlen, wie in diesem einen Moment mit dir. Aber ich falle nicht. Du hälst mich fest und das soll bitte niemals aufhören. Aber dann verschwinden deine Lippen von den meinen und das letzte, was ich höre ist, wie du sagst "Und ich weiß, dass du das auch willst." Dann spüre ich einen Schubser.

Ich werde urplötzlich aus meinem Traum gerissen, weil meine beste Freundin mich anstubst, um mir mitzuzeilen, dass der Unterricht vorbei ist. Ich hatte nur geträumt. Die Enttäuschung macht sich in mir breit. Wie sehr wünsche ich mir, dass so etwas wahr werden könnte, gefolgt von der Bitterkeit der Erkenntnis, dass dies nie der Fall sein wird. Ich verlasse den Raum und da stehst du. Du lächelst warm und gutmütig, unwissend darüber, was gerade in meinem Kopf passiert ist. Dich anlächelnd stelle ich fest, dass dies auch das Beste ist. Denn sieh dich an und dann mich...


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