Der Sprung in der Schüssel

Wie ärgerlich, von der Schale ist etwas abgeplatzt. Es ist nicht mehr, wie die anderen Schüsseln. Es entspricht nicht mehr der Norm. Ein Sprung in der Schüssel, nicht der Norm entsprechen. Oh je, was für ein Gedanke. Ich glaub ich habe auch ein Sprung in der Schüssel. Zeit mich auszusortieren, ab ins Altersheim oder sonst wo unterbringen.

Ist das unsere Gesellschaft? Sind wir so eingestellt? Will ich das? Darf ich nicht auch meine Schüssel mit dem Sprung liebhaben? Muss ich die jetzt verstecken? Muss den alles so perfekt sein? Ist es denn nicht auch gut, so wie es ist? Einfach etwas annehmen, so wie es ist. Mit dem Arbeiten, wie es ist. Aus dem Sein, die Seele offenbaren. Die Seele der Schüssel ist immer noch da. Für mich auf jeden Fall. Mit dieser Schüssel ein wunderbares Foto machen.

Es ist mehr als Shabby Chick. Es steckt etwas Wunderbares in diesem Geschehen, wenn etwas verändert wird. Etwas verrücken etwas verrückt sein. Wenn die Natur etwas verändert, wenn ein Gedanke eine andere Richtung zeigt. Im Wandel bleiben, es zulassen können, dass sich etwas verändert. Nichts bleibt, wie es ist. Und da gibt es schon mal einen Sprung in der Schüssel oder ein Blitz im Baum, oder eine Narbe.

Manchmal hat man sogar das Gefühl, man müsste etwas Schönes einen Schmiss beifügen, damit es lebendig ist. Wenn etwas so schön ist, dass man es nicht ertragen kann. Kennst du das Gefühl? Wenn es so schön ist, dass es nicht echt wirkt, dass es gefälscht wirkt, gestellt, manipuliert. So schön, dass es wie Betrug, wie geschummelt und betrogen wirkt. So aufgeräumt, dass es keine Seele hat. So ordentlich, dass es tot wirkt.

Ich weiß, das entspricht nicht der deutschen Mentalität. So absolut gar nicht. Regeln einhalten, den Rasen mähen, das Auto waschen, zur Arbeit gehen, Pflichten erfüllen… Sicher hat das auch alles seine Berechtigung in einem Gewissen erträglichen Maß. Die Frage ist: Leben, um perfekt zu sein oder sein dürfen, wie man ist, um zu leben?

Ich will meine Risse, meine Sprünge in der Schüssel nicht mehr verstecken oder zuspachteln. Ich will echt sein. So wie es ist. Das befreit, das ist Wahrheit, dass ist Leben. Schluss mit das geht doch nicht, dass musst du reparieren, dass musst du verändern, dass musst du lernen. Dass musst du können, das darfst du nicht und das sollst du tun, das musst du in Ordnung bringen…
Meine Schüssel wird nicht versteckt, sie wird so benutzt wie sie ist. Ja, genau!

Haben wir denn nicht alle irgendwo Risse und Sprünge und Narben? Ist Der besser, Der die Verletzungen am besten verstecken kann oder geschafft hat so wenig wie möglich zu bekommen oder zu haben. Oder der sein Leben damit verschwendet, dass ein Arzt oder eine andere Person über dich alles bestimmt. Hat dieser Mensch, dann überhaupt gelebt? Oder ist so ein Mensch nur im Glaskasten gesessen, wo nichts kaputt gehen kann?

Echte Menschen haben Sprünge, in der Schüssel. Das ist Leben. Das passiert, wenn man lebt. Lebst du schon oder sitzt du noch hinterm Glasfenster und schaust dem Leben nur zu? Ich finde Schüsseln und Becher und Tassen und Kannen mit Sprüngen sehr liebenswert und interessant. Solche Gefäße haben was zu erzählen, die sind lebendig. Und lasst mich mit dem „Warum“ in Ruhe, dass weiß nur wer oder was da seine Hand im Spiel hat! Man wird es mich schon wissen lassen, wenn ich es wissen soll. So erhebe ich mein Pott, auf die Risse im Leben! Auf das Lebendig sein, auf das Leben!


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