Achtung, Ufos in der Küche!

Letztens, halb zwölf in Deutschland: "Ich hab´ da was für dich."

Meine Mutter stellte eine Art Apothekerfläschchen vor uns auf den Tisch - klein, unscheinbar und ohne Etikett. Ich blickte auf eine dünne schwarze Scheibe in einer undefinierbaren Flüssigkeit. Ein Mini-Ufo, das man sicherheitshalber gefangen genommen und zur Quarantäne eingesperrt hatte?

"Angeblich echtes Trüffelöl. Hat mir Marianne aus Italien mitgenommen, als Dankeschön fürs Blumengießen. Es soll von einem kleinen Familienbetrieb aus dem Piemont stammen, der seine Produkte nur am regionalen Markt verkauft."

Was unsere Nachbarin offenbar nicht wusste: Meine Mutter ist zwar eine begnadete Köchin, beschränkt sich im Normalfall aber auf Zutaten, die bereits ihre eigene Mutter zum Kochen verwendet hat. In ihrem Gewürz-Schrank findet sich Altbewährtes wie Zimt, Majoran, Kümmel oder Paprika. Was sie sonst noch braucht, kauft sie gerne im Bauernladen vor Ort.

Trüffelöl bekommt man dort nicht. Und damit war das Mitbringsel ein Fall für mich: die Tochter, die beim Kochen gern experimentiert und dabei auf ein neumodisches Gewürz-Sortiment von A wie Ajowan bis Z wie Zimtblüte setzt.

Doch mit Trüffelöl hatte ich bis dahin ebenfalls wenig am Hut. Abschreckend war für mich nicht die die Exotik, sondern der elitäre Beigeschmack: Trüffelöl, das spielte für mich in derselben Liga wie Hummer, Kaviar, Wagyu-Steak oder Saiblingsbäckchen. Es war in meinen Augen eine Zutat für versnobte Köche, die Teller mit Saucen-Pünktchen verzieren und zum Anrichten eine Pinzette brauchen. Ich dagegen halte es beim Kochen lieber rustikal. Gerne hole ich mir fremdländische Aromen auf den Teller - aber so, wie in Straßenküchen und Wohnzimmer-Lokalen gekocht wird. Nicht wie im 5-Sterne-Restaurant.

Wieder zu Hause, begann ich zu recherchieren: Google schlug mir diverse Risotto- und Pasta-Rezepte vor. Auf anderen Seiten wurde Trüffelöl als Gewürz zu Rührei und Kartoffelpüree empfohlen. Nichts davon konnte mich auf den ersten Blick begeistern. Ich klappte das Notebook zu und warf einen Blick in die Vorratskammer. Hin und wieder würfle ich beim Kochen einfach alles zusammen, was weg gehört. Die Ergebnisse sind manchmal so verblüffend, dass mich Freunde nach dem nicht vorhandenen Rezept fragen.

Die angebrochene Packung Gersten-Graupen war mir schon seit vielen Monaten ein Dorn im Auge. Das Ablaufdatum war längst überschritten, der Gerste fehlte natürlich nichts. Nur mir hatten bisher die Ideen gefehlt, mit welchem Gewürz ich den etwas "gesund" schmeckenden Körnern mehr Pepp verleihen könnte.

Auch die Champignons im Gemüsefach des Kühlschranks mussten dringend weg. Ihre Stiele begannen sich an den Rändern braun zu verfärben. Noch 1 oder 2 Tage, und sie wären ein Fall für die Tonne. Genauso wie der Ziegen-Weichkäse, den wir vor mehr als einer Woche zu Roter Bete und Chicorée gegessen hatten. Und dann dümpelte noch eine offene Flasche Weißwein im Getränkefach vor sich hin.

Damit war der Fall klar: Ich würde Graupen-Risotto mit Champignons und Ziegenkäse kochen. Das Trüffelöl sollte dazu seine Qualitäten als Gewürz unter Beweis stellen.

Während ich geduldig am Risotto rührte, öffnete ich das Fläschchen und schnupperte daran. Mit vielem hatte ich gerechnet, doch nicht damit: Ein warmer, schwül-würziger Duft strömte mir entgegen. Es roch eindeutig nach Pilzen, ein klein wenig auch nach feuchter Erde, Schweiß und Knoblauchtopf. Eine sehr einnehmende Kombination, edel und rustikal zugleich. Ich atmete tief ein und spürte ein wohliges Gefühl in mir hochsteigen. Vor meinem inneren Auge schüttelten sich Paul Bocuse und der piemontesische Kleinbauer mit Erdklumpen an den Stiefeln die Hand.

In diesem Moment drehte sich der Schlüssel im Schloss. Es war Dani, meine Freundin und Mitbewohnerin - wie immer hungrig und dankbar, dass ich gekocht hatte. Ich häufte das Risotto auf zwei Teller und träufelte gut gelaunt das Öl aus dem Apothekerfläschchen darüber.

"Lisa? Um Himmels willen, was riecht hier so göttlich? Hast du beim Kochen schon wieder mit einem neuen Gewürz experimentiert?" Ich grinste und streckte ihr das Fläschchen entgegen: "Ein Ufo aus dem Bocuse-Paralleluniversum, das zufällig in unserer Studentenbude gelandet ist. Lass´ es dir schmecken."


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