Jemand besonderes

Vor etwa 1 1/2 Jahren habe ich meine letzte Freundin verloren. Es war eine sehr schöne Freundschaft, ich denke ich war nie so glücklich wie in der Zeit, die ich mit ihr verbracht habe. Die Dinge waren kompliziert. Sie hatte lange Gefühle für mich gehegt, welche ich nicht erwidern konnte. Ich weiß nicht wieso. Sie war in meinen Augen perfekt, ich könnte mir niemand Besseren vorstellen.

Oft hallen mir noch ihre Worte im Kopf, die ich jetzt für die Wahrheit halte: "Ich denke du bist jemand, der niemanden lieben kann, bis du nicht dich selbst liebst." Sie hatte Recht. Ich hatte mich nicht selbst geliebt. Und vielleicht habe ich unterbewusst deshalb gedacht, dass sie jemand besseren verdient. Dass ich unmöglich reichen könnte. Erst mit der Zeit, habe ich durch den Kontakt von ihr langsam gelernt, mich selbst zu mögen.

Aber vorletzten Sommer bis Herbst hat sich das geändert. Sie hatte begonnen ein Online Spiel viel zu spielen. Absurder Anfang, ich weiß. An sich hat mich das auch gar nicht gestört. Ich habe in der Vergangenheit auch vieles gespielt, und ich war froh, dass sie Spaß hatte. Es hatte sie aber gestört, wenn ich sie darauf ansprach, wie viel ihres Lebens dies ausmacht.

Wenn wir uns trafen habe ich angemerkt, wie schnell sie auf das Thema kam und so. Aber gestört hat es mich nie. Und ich dachte, dass sie das wusste. Ich war, wie gesagt, froh, weil sie Spaß hatte. Ich hätte aber sehen sollen, dass sie das vielleicht als Kritik sah.
Mit der Zeit hatte sie dort Leute kennengelernt, mit denen sie im Spiel viel Spaß hatte. Ich hatte mich allein dort hochgearbeitet, in der Hoffnung ihr in Zukunft beizutreten, da es zu der Zeit nicht ging. Ich war zufrieden, und freute mich darauf in Zukunft mehr Zeit mit meiner besten Freundin zu verbringen.

Probleme begannen wohl irgendwann im Spätsommer. Wir hatten immer einen Wochentag, an welchem wir gut Reden konnten. Und den haben wir auch immer genutzt. Sie hat oft zeitgleich etwas gespielt. Neu war aber, dass das Spiel die primäre Beschäftigung war. Antworten hatten länger gedauert und letztendlich wurden die Gespräche sehr nebensächlich. Das hat mich teils so fertiggemacht, dass ich sagen musste, dass ich das nicht kann. Mit dem Spiel und so hatte ich nie Probleme. Aber dass sie zu dem einen Abend, an welchem wir Kontakt haben können, nicht mehr so viel Interesse hatte, hatte mich fertiggemacht.

Als sie dann im Herbst umgezogen ist, und wir eigentlich mehr Kontakt hätten haben können wurde sie sehr kalt. Wo sie früher zu solchen Zeiten am liebsten dauerhaft mit mir geredet hätte, hat sie sich tagelang nicht gemeldet. Als ich sie besuchen wollte, hat sie dies einmal abgelehnt, was davor nie der Fall hätte sein können. Aber ihren Geburtstag wollte sie noch mit mir feiern, und es schien nur eine Phase zu sein. Und zur selben Zeit habe ich wohl auch romantische Gefühle für sie entwickelt.

Ich habe den gesamten Sommer und frühen Herbst damit verbracht an mir zu arbeiten. Vielleicht fand mich mein Unterbewusstsein langsam gut genug. Aber ich wäre auch Zufrieden damit, wenn die Dinge wieder so wären wie davor, und wir einfach enge Freunde wären.

Als wir einige Tage keinen Kontakt mehr hatten habe ich ihr gesagt, wie kaputt mich das macht. Sie war ein wichtiger Teil meines Lebens für mich, und dass sie wenig reden will hatte mich mitgenommen. Sie sagte, dass sie Zeit für sich braucht und ein wenig allein sein will. Ich hatte das verstanden und kann das verstehen, der Umzug hat viel in ihrem Leben geändert. Eine Woche habe ich komplette Stille danach ausgehalten.

In dieser Woche war auch ihr Geburtstag, wo ich mich nicht mehr eingeladen fühlte. Dann war ich komplett kaputt und habe sie gefragt was los ist. Sie meinte dass nichts los ist, und ich mich verändert habe. Dass das nicht der Fall ist sagt natürlich jeder, bestimmt habe ich mich ein wenig verändert. Aber sie meinte, dass ich ihr ständig Vorwürfe machte, was nicht stimmte. Ich habe erst später verstanden, dass wenn ich sie auf Dinge, wie dass ihr das Spiel wichtig ist, wohl als Vorwürfe angesehen hat. Oder auch, dass ich mich alleine gefühlt habe, wenn sie etwas mit alten Freunden unternommen hat. Ich dachte nie, dass sie etwas falsch macht, es war nie als Vorwurf gemeint, aber sie sah es so.

Als ich sie daraufhin darauf ansprach, dass sie sich verändert hat, stimmte sie ein wenig zu. Ich hatte gesagt, dass sie sich wie ausgewechselt anfühlt. Aber sie war mir noch wichtig, also beschloss ich, ihr vorzuschlagen, dass wir quasi "neuanfangen", damit ich sie so, wie sie nun war, ohne falsche Vorbehalte kennen kann. Sie stimmte zu und wir wollten entspannt reden. Das erste, was sie sagte, war, dass sie viel mit einem ihrer neuen MMO Freunde gesprochen hat, und ihn nun im Spiel heiraten will.

Darüber das in Zukunft zu tun hatten wir mal überlegt. Ich hatte gefragt, ob sie Gefühle für ihn entwickelt hat, was sie verneinte. Das hat mich gebrochen. Ich war vollkommen zerstört. Nicht, weil sie einen neuen Freund hat. Sondern weil sie das vergessen hat. In dem Gespräch habe ich gemerkt, dass sie so gut wie alles über mich vergessen hat. Ich hatte das Gefühl ich wurde ersetzt. Sie sagte, dass ich doch nicht ersetzt bin, nur weil sie neue Freunde hat. Aber was ist es sonst, wenn jemand nichts mehr mit dir machen will, aber das selbe mit anderen macht?

Ich habe sie gefragt, was ich für sie bin. Sie meinte ein Freund. Mit der Antwort könnte ich leben, wäre ihre Definition für Freund nicht "jemand mit dem man mal freiwillig alleine geredet hat". Guter Freund oder dergleichen dachte ich zumindest. Ich habe sie über die Pläne gefragt die wir hatten, und sie erwiderte nur, dass sie nicht weiß, ob sie das noch will. Ich war so zerstört, dass ich ihr sagte, was für Gefühle ich entwickelt habe.

Ich habe ihr wieder und wieder gesagt, dass egal wie sie damit umgehen will, ich es verstehe und akzeptiere. Das habe ich einen Tag lang oft auf verschiedene Arten wiederholt. Sie meinte, dass sie Zeit bräuchte und ich habe es ein Wochenende in mich hineingefressen. Ich hatte nie solche Schmerzen. Im selben Jahr war ich wegen einer Operation im Krankenhaus und ewig im Bett. Mir wurden in der Vergangenheit ohne Betäubung Entzündungen entfernt. Ich hatte nie in meinem Leben so viel Schmerz wie in den Monate, die nun begannen.

Zur gleichen Zeit ist mein Hund, welcher mich fast mein ganzes Leben begleitet hat gestorben. Das habe ich ihr nie erzählen können. 3 Tage später war ich sehr am Boden und habe mit Eltern kurz darüber gesprochen. Ich vertraue ihnen eigentlich nicht, aber ich hatte sonst niemanden und wurde wahnsinnig. Ich ging zum Arzt und habe Antidepressiva bekommen. Ich habe einen Freund, welchen ich damals für 1,5 Jahre nicht gesehen hatte, getroffen um mit jemanden zu reden. An dem Abend haben wir wieder kurz geredet.

Sie meinte, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll. Ich meinte als Basis, könnte sie sagen, ob sie etwas erwidert. Sie verneinte direkt. Über die Direktheit lachte ich, was für ein Narr ich war da noch Hoffnung zu haben. Ich habe ihr gesagt, wie viel mich das warten leiden lässt. Dass ich mich Frage, ob es ihr egal ist. Dass ich gedacht hatte, dass sie so für mich da sein könnte, wie ich für sie, als ich ihre Gefühle nicht erwidern konnte. Sie sagte etwas in Richtung "da sind die Vorwürfe wieder". Ich wollte ihr keine Vorwürfe machen. Ich wollte ihr erklären, was ich denke, damit sie versteht, warum ich so bin.

Sie meinte, dass sie nicht mehr an dem Abend reden kann, und ich sagte, dass ich versuche rücksichtsvoller zu sein, und sie vielleicht versuchen könnte nicht alles als Vorwurf zu sehen.

Eine Woche später hatten wir kurz geredet. Sie fragte, wie es mir ging. Ich erwiderte, wohl gut, ich konnte zumindest wieder essen, was ich bis dahin kaum konnte. Ich habe sie gefragt, was sie will. Sie hat gesagt, dass sie es nicht weiß. Sie hat aber beschlossen nicht mehr mit mir zu reden. Ich sagte, dass ich dann auch nicht mehr mit ihr rede, wenn es das ist, was sie glücklich macht. Sie hat mir später noch frohe Weihnachten gewünscht und ich ihr ein Frohes Neues Jahr. Seitdem hatten wir keinen Kontakt mehr.

Das schlimmste ist, dass ich ihr nicht böse bin. Ich war nie wütend, auch wenn mir das andere einreden wollten. Ich habe sie verstanden und hätte mich gerne besser verhalten. Mein größter Wunsch war immer, dass sie glücklich ist. Und das ist es, was mich verletzt hat. Dass sie das nicht wusste, oder ihr egal war. Für die längste Zeit, die ich sie kannte war sie in einer Beziehung. Selbst wenn sie mich abgelehnt hätte und einen neuen Partner im MMO gefunden hätte, fände ich in Ordnung. Wenn es das ist, was sie glücklich macht, hätte es mich auch glücklich gemacht. Aber sie dachte anders.

Sie hat offensichtlich gedacht, dass ich nicht einverstanden wäre. Sonst hätte sie mich nicht belogen. Gelogen, dass sie alleine sein will, wenn sie mit anderen etwas macht. Gelogen, dass sie keine Gefühle für jemanden hat, wenn sich später herausstellt, dass dies nicht stimmt. Ich hätte es doch akzeptiert, hätte sie es mir gesagt. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht lüge, und sie mich nicht anlügen soll. Solange sie ehrlich wäre würde ich alles akzeptieren.

Das andere, was mich fertiggemacht hat, war, wie egal ich ihr war. Bei meinem Zusammenbruch (die Feiertage ausgenommen) sagte sie, dass sie Zeit für eine Antwort braucht. Was sie will, wie wir verbleiben. Zu späteren Kontakten hatte sie das bereits vergessen. Sie gab nie Abschluss. Hätte sie gesagt, dass sie mich nicht in ihrem Leben will, hätte ich das akzeptiert. Hätte ich bleiben sollen, hätte ich das akzeptiert. Ich wäre mit allem einverstanden. Weil ich gewusst hätte, dass mein Handeln das ist, was sie sich wünscht. Aber das bekam ich nie, selbst ihr Abbruch war als "beschlossen dir nicht mehr zu schreiben" formuliert, und Weihnachten hatte sie doch geschrieben, also wusste ich nie, was ich tun soll.

Selbst heute, Jahre später habe ich Angst, dass sie mich irgendwo vermisst, und ich nicht da bin. Weil ich eben nicht weiß, was sie schließlich zu mir dachte. Das ist oft meine größte Sorge. Aber ich will sie auch nicht kontaktieren. Vielleicht ist sie gerade glücklich und ich würde das nur kaputtmachen. Sie war die beste Freundin die ich je hatte, und ich will, mit oder ohne Kontakt, dass sie glücklich ist. Aber selbst wenn wir wieder Kontakt hätten, wüsste ich nicht, wie ich mich fühlen würde. Sie hat mich belogen.

Sie ist mir aber immer noch wichtig. Ich will mein Glück nicht wieder abhängig machen. Aber wenn ich mit jemanden befreundet sein will, dann mit ihr. Aber würde ich Gefühle für sie entwickeln? Lange Zeit wollte ich das nicht und hatte solche auch nicht, aber zum Schluss waren sie eben da. Ich bin nicht sonderlich emotional. Die letzten Jahre sind viele Verwandte gestorben, mein Hund gestorben und viel Schlimmes passiert. Ich habe seitdem ich 13 bin 3 mal geweint. Alle 3 male waren in dem Herbst und Winter die ich hier beschrieben habe. Alle 3 waren wegen ihr.

Sie war auch mein letzter Freund. Ein paar Jahre früher habe ich alle anderen verloren, aus meiner eigenen Entscheidung. Es war kein großer Verlust. Nicht einer von ihnen hat mich je überhaupt versucht zu kontaktieren, nachdem ich den Freundeskreis verlassen hatte. Bis letztes Jahr, aber zu dem Punkt war ich Kontakt Leid.

Und seit diesem letzten Drama hatte ich nicht eine Freundschaft. Online habe ich immer mal mit Fremden geredet, aber nicht viel und eher mit zufälligen. Wenn mir jemand zu nahe kommt lehne ich es ab. Ich rede gerne Tage bis Wochen nicht, zählt man Kassierer und Telefonate mit Eltern welche 3-4 im Monat vorkommen nicht, Monate nicht. Ich treffe niemanden, schreibe mit niemanden, rede mit niemanden. Ich kann mir nicht vorstellen je jemanden wieder zu vertrauen.

Vielleicht ist ein Grund, dass ich diese Person auf keinen Fall ersetzen will. Das wäre niemanden gegenüber Fair. Die neue Person würde nicht für das gesehen werden, was sie ist, sondern jemand anderen. Das Schlimmste ist es, wenn ich davon träume mit ihr Spaß zu haben. Ich möchte nie Lügen und sagen, dass sie ein schlechter Mensch ist. Und mich nicht davon zu überzeugen sie zu hassen, nur damit es mir besser geht. Ich möchte stärker sein. Besser sein. Jemand der die Vergangenheit ertragen kann. Auch wenn ich Hasse, wie viel Macht die Vergangenheit über mich hat, will ich nicht vergessen.

Aber ich nutze die Zeit. Ich habe angefangen regelmäßig zu kochen. Ich nun ein Jahr lang nichts bestellt, kaufe höchstens alle paar Monate mal eine Packung Prinzenrolle oder so als Süßigkeit. Ich habe einen Job an meiner Uni. Ich habe mich auf ein Auslandssemester beworben, was nun aufgrund der Lage wohl nicht stattfindet. Ich treibe regelmäßig Sport, Jogge und trainiere mit Hanteln. Ich benutze mehr Produkte für die Hautpflege. Ich mache regelmäßig Nachts Spaziergänge. Ich übe Singen, Zeichnen und Schreiben, auch wenn ich nicht gut diesen drei bin. Ich versuche die Person zu werden die ich sein will.

Wahrscheinlich werde ich es bereuen das hier zu posten. Schließlich kann ich immer verleugnen, dass ich noch nicht darüber hinweg bin, wenn ich es niemanden gesagt habe. Es wird erst wahr, wenn ich es teile. Ich schätze ich hoffe, dass es irgendwie hilft.


Lade Dir die kostenlose Geheimness-App für dein Smartphone und kommentiere den Beitrag!


Beitrag