Die Vision vom Tod des verschollenen Onkel

In der Kindheit war ich fast jeden Tag bei meinen Onkel. Bei Onkel Karl (Namen geändert) durfte ich einfach Alles. Wenn ich mir Rührei machte, war es egal ob 2 oder 20 Eier in die Pfanne geklatscht wurden. Bei Onkel Karl ging alles klar. Aus der Sicht als Kind fande ich ihn damals schon etwas seltsam. Er rauchte viel und ernährte sich hauptsächlich von Schokolade und Cola. Außerdem fiel mir auf, dass er sich seinen FOKUHILA kämmte als hätte er einen "Tick".

Ich mochte Onkel Karl einfach, so wie er war. Eines Tages war er von der Bildfläche verschwunden. Ich begriff es einfach nicht, bis mir meine Eltern im Erwachsenenalter erzählten, dass er eine schlimme Schizophrenie entwickelte und polizeilich untergebracht wurde. Meine Familie hatte seit dem keinen Kontakt mehr, da er ausflippte bei den letzten Besuchen und schrie, dass er niemanden mehr sehen will, von der Familie.

Ich nahm es hin und gab ihn auch seinen Frieden. Ich verlor ihn aus dem Sinn. Ich träumte und dachte seither nie wieder an Onkel Karl. 25 Jahre später träumte ich von ihm und seinen Tod. Ich wachte schweiß gebadet auf und dachte nur eins: Du musst Onkel Karl finden! Ich wusste wo das Heim seiner Unterbringung war, rief an und fragte mich durch, bis ich auf der richtigen Station angekommen war.

Ich sprach mit einer Schwester. Sie war froh zu hören, dass nach Jahrzehnten jemand von der Familie nach Onkel Karl erkundigte. Ich fragte nach Zigaretten, Cola und Schokolade. Eben das, was mir aus der Kindheit noch hängen geblieben war und ja, die Schwester lachte und bejahte, dass Onkel Karl dies immer noch gerne hat. Ich kündigte baldigen Besuch an.

Im Wohnheim angekommen traf ich ihn endlich. Er saß im Wohnzimmer und starrte auf dem Boden, gefangen in seiner Erkrankung. Zähne fehlten und seine Haarpracht war auch schon grau geworden. Mein Onkel - vom Leben und Krankheit gezeichnet. Ich unterhielt mich 10min mit ihm, danach ging ich, da ich merkte, dass ihm alles zu viel wurde.

Zwei Monate später meldete ich erneut Besuch an - zur Weihnachtszeit. Diesmal saßen wir in seinem Zimmer. Er erzählte mir, dass er der Sänger der "Bee Gees" sei und jeder das hier wüsste - so war eben nunmal die Erkrankung. Ich gab ihn sein Geschenk und ca. 30min später verabschiedete ich mich, da ich merkte, dass Onkel Karl nicht mehr aufnahmefähig war.

Das sollte wohl ein Abschied für immer sein. Ein paar Wochen später bekam Onkel Karl einen Herzinfarkt. Kurz darauf einen zweiten, den er nicht überlebte, so wie ich es geträumt hatte.


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