Schweratemend wache ich auf und nehme die Folgen des gestrigen Abends nocheinmal wahr. Ein Stechen im Rücken gefolgt von einem unter meiner Brust lassen mich meine Augen zusammen kneifen. Ich atme den Schmerz leise aus und drehe mich auf die Seite, um meinem Freund anzuschauen, welcher friedlich weiter schläft. Trotz meiner geprellten Rippen, welche er mit seinem Schlag gegen diese verursacht hat, lege ich meine Hand auf seine Wange und lächle. Wie kann er jetzt so unschuldig und friedvoll aussehen, obwohl er sonst so eine Angst inne sitzen hat, welche ihn Hass auf die Welt schieben lässt und auch zu oft auf mich? Wie verrückt ist doch mein Herz, dass ich diese Schmerzen wegen ihm habe und ihn doch so liebe, dass ich mir nichts anderes wünsche als auch die nächste 50 Jahre neben ihm aufzuwachen.

Ich lasse mich nicht misshandeln von ihm, ich denke auch nicht, dass ich nicht ohne ihn leben kann, ich bin schlau genug um zu wissen, dass er dankbar sein sollte mich zu haben und das ich das beste in seinem Leben bin und er mich in vielen Momenten wie Dreck behandelt aber ich bin nicht hilflos und wehrlos und lasse das alles mit mir machen. Ich weiß, dass er Aggressionsprobleme hat und dass er die weg bekommen möchte, wirklich weg bekommen möchte und wir deswegen auch schon eine Therapeutin kontaktiert haben, welche jedoch keine Sitzungen macht während der Corona Krise.

Er will also sein psychisches Problem beheben, um mir die Liebe zu schenken die ich verdient habe aber kann es nicht, weil Corona seiner Heilung im Weg steht. Es ist also nicht seine Schuld, zumindest nicht komplett, weil er ja etwas dagegen tun will aber es ihm momentan verwehrt ist. Er versucht sich wirklich zusammen zu reißen, er flucht weniger, rastet weniger aus, wirkt weniger aggressiv und versucht sich schon wirklich zurück zuhalten, seine Wut zurückzuhalten, aber manchmal hat er keine Chance dagegen.

Manchmal fangen die Gedanken, seine Verlustängste, seine Erfahrung in seinem Kopf an ihm solche Sachen einzureden wie das ich ihm fremdgehen würde. Bei der Arbeit, im Lager, auf dem Spaziergang, beim Einkaufen. Es ist unerträglich zu wissen, dass er mir so etwas zutraut. Immer wenn die Wut seinen Körper und seine Gedanken übernimmt fängt er an mich als Schlampe und vieles mehr zu beleidigen. Auch Dinge die ich ihm in Vertrauen erzählt habe, wie das ich schon öfter von Männern angefasst worden bin obwohl ich nein gesagt habe und es nicht wollte, verwendet er gegen mich.

"Du wolltest doch, dass diese Typen dich anfassen und tust nur so wie als wärst du das Opfer, dir gefällt das", wirft er mir im Streit gegen den Kopf als wir auf dem Weg nach Hause waren, nachdem ich irgendetwas gesagt habe was ihn verärgert und seine Wut ausgelöst hat. Nicht das erste mal spuckt er mich mich an, während ich mit erhobenen Kopf weiterlaufe. Wir sind in der Stadt und ich will kein Aufsehen erregen. Der spinnt doch, denke ich mir immer wieder während er mich weiter beleidgt und runter macht. Er wird sich wieder beruhigen und sich entschuldigen, so wie immer. Das ist nicht Er. Aber es ist trotzdem verständlich wieso mich jedes Wort verletzt, oder nicht?

Ich sollte drauf scheißen und Geduld haben bis er sich beruhigt, aber ich habe schon den zweiten Faustschlag von der Seite von ihm bekommen gegen meinen Arm, was mich immer wieder aus meinen Gedanken wirft und mich den Tränen der Enttäusschung immer näher bringt. Das ist nicht er, das ist nicht er. Doch auch nach 15 Minuten ist es noch nicht vorbei und einige meiner Tränen sind zusammen mit seiner Spucke in meinem Gesicht schon getrocknet. Erbärmliches Gefühl diese Worte zu schreiben und selber zu lesen, weil die meisten sich denken werden das es keine Sache gibt die er tun kann, um diese ekelhaften Taten wieder gut zu machen und doch bin ich noch mit ihm zusammen.

Und doch liebe ich ihn noch. Und wie immer entschuldigt er sich bei mir, nachdem ich mich trotzig an einen Straßenrand gesetzt habe, wo viele Autos vorbei fahren, damit er nicht auf die dumme Idee kommt mir weh zutun und damit seiner Wut etwas Wiederstand geleistet wird. Wie erwartet beruhigt er sich, fährt sich mit der Hand über das Gesicht während Tränen sich in seinen Augen sammeln und entschuldigt sich bei mir. "Baby bitte komm mit mir nach hause", bittet er mich. Ungläubig lachend frage ich ihn in welcher Welt er lebt, dass er mich Baby nennen darf, während seine Spucke in meinem Gesicht klebt.

Ein Seufzer kommt von ihm und er setzt sich genauso erschöpft neben mich wie ich es bin. "Die "Hure" die gerne fast vergewaltigt wird möchte nicht mit dir Psycho heim gehen, nachdem du mich fast 20 Minuten lang von vorne bis hinten beleidigt hast", werfe ich ihm bissig an den Kopf, aber meine Stimme ist genauso leise wie sonst auch, mir fehlt dir Kraft ihn anzuschreien und ich habe das alles schon viel zu oft durchgemacht mit ihm. Wurde viel zu oft als Schlampe beleidigt oder geschlagen und habe dann verziehen und weiter gehofft es würde besser werden.

Es ist auch gut, dass er sich jedes mal beruhigt und das schneller als am Anfang und auch, dass er seinen Fehler einsieht und versucht sich zusammen zu reißen aber es ist wie als wäre er ein anderer Mensch während er die Kontrolle über seine Wut verliert. Er ist ein wirklich liebevoller und charmanter und rücksichtsvoller Mensch, versteht meine Ansichten und versteht mich. Aber in diesen Momenten der Wut ist er unvernünftig, unlogisch, rücksichtslos, verantwortungslos und so hasserfüllt, das man nichts machen oder sagen kann, um ihn zur Vernunft zu bringen und normal mit ihm zu reden.

Er ist komplett in seiner Rage gefangen und sieht keine Grenzen. Selbst dann nicht, wenn ich weinend im Bett liege. Verletzt von seinen Worten oder verletzt von seinem Ohrfeigen oder auch manchmal einem Schlag. Aber nicht weil es weh tut oder er mich zusammen haut, es tut kaum weh, sondern einfach der Schock, dass er es tut, bringt mich immer wieder zum Weinen und an den Rand der Verzweiflung.

Man sollte Hass nicht mit Hass bekämpfen, es ist ein ewiger Kreislauf, wenn er sich scheiße verhält und ich dann angepisst auf ihn bin und ihn wegschicke und von mir stoße, obwohl er sich entschuldigt und dann wieder wütend auf mich wird und ich weiter angepisst auf ihn bin. In letzter Zeit versuche ich öfters die Klügere zu sein und meinen Ärger zu kontrollieren, weil ich es im Gegensatz zu ihm kann.

"Und wie läuft deine Suizid-App" hat er mich grad gefragt, während ich nach einem Streit wieder ins Zimmer gekommen bin, damit wir wenigsten normal sein können für den Rest des Abend. Ich will einfach bei ihm sein und den Streit auf die Seite legen, weil er vorhin zu mir raus gekommen ist und nach Versöhnung gefragt hat aber ich verweigert habe. Und das hab ich jetzt davon, dass er versucht mir das Handy weg zu reißen und mich am Arm fetzt weil er nicht ran kommt.

Das meine ich mit dem ewigen Kreislauf. Ich hätte ihn vorhin nicht wegstoßen sollen als er sich entschuldigt hat, sondern meinen Stolz auf die Seite legen und mit ihm ins Zimmer gehen sollen. So hätten wir einen schönen Abend gehabt. Stattdessen ist er jetzt verletzt und wütend, weil ich ihn wieder weggestoßen habe nach seiner Entschuldigung. Er ist wütend auf sich selber, weil er in seinem Kopf weiß, dass er für das alles wieder verantwortlich ist aber sich nicht unter Kontrolle hat und lässt es deswegen an mir aus. Ich verstehe ihn und sein Verhalten und weiß, dass er mich nicht mit Absicht verletzt, sondern auch eine glücklich Zukunft mit mir möchte und sich selber dafür hasst, was er mir und unserer Beziehung & Zukunft alles antut .

Aber ihr würdet das bestimmt anders sehen, viele würden denken, dass ich genauso krank bin wie er, weil ich weiter mit ihm zusammen bin, aber keiner der das behauptet kennt ihn wirklich oder unsere Situation und ich wünsche mir von ganzen Herzen, dass es jemanden gibt der mich versteht, nachdem er diesen Text gelesen hat. Ich wünsche mir sehr, dass jeder versteht wie unglaublich toll dieser Junge ist. Als ich ihn das erste mal gesehen habe hätte ich niemals gedacht, dass er so eine Rolle in meinem Leben spielen würde. Er war ein enger Freund von meinem jüngeren Bruder & ich war gerade wieder zu meiner Mum gezogen, nachdem ich für einige Monate in einer eigenen 1 Zimmer Wohnung gewohnt habe.

Der Vermieter hatte herausgefunden, dass ich dort wohnte, statt dem Freund meiner Mum, welcher der eigentliche Mieter war. Kurz gesagt ist meine Welt für kurze Zeit zusammen gebrochen, weil ich wieder zu meiner Mutter ziehen musste, nachdem ich so selbstständig gelebt habe. Aus diesem Grund habe ich meinen Freund damals auch nicht richtig wahrgenommen oder weiter über ihn nachgedacht, als er meinen Bruder bei uns Zuhause besucht hat. "Äh hey ist Aurelio da? Er hat noch meine Cap" hat er so ungefähr gesagt. "Er ist im Schlafzimmer, da durch den Gang und dann links. Aber er schläft glaub." Und schon war er wieder weg.

Damals hab ich nicht viel von ihm gehalten, er sah aus wie ein typischer Kanacke & ich habe kaum was von seinem Gesicht gesehen, weil seine Mütze so tief in seinem Gesicht lag. Seine dunklere Haut und seine bisschen dickeren Backen sind mir im Kopf geblieben. Ich bin immer wieder so überrascht, wenn ich daran denke wie sehr er sich verändert hat, wie anders und erwachsen er jetzt aussieht im Gegensatz zu damals.

Das zweite Mal hab ich ihn bei der Firmung meines Bruders ein paar Wochen später gesehen, er hatte ihn und seinen anderen besten Freund zu dem Familienfest eingeladen in das Restaurant und auch in die Kirche. Es war sehr ungewohnt ihn dort zu sehen, so ohne seine Cap und in etwas anderem als seiner Jogginghose, sondern in einem schicken Pullover mit einem Hemd drunter. Endlich hab ich mehr von seinem Gesicht gesehen und ihn deshalb kaum wieder erkannt. Wenn ich jetzt daran denke wie unglaublich gut er sich in dem letzten halben Jahr, dass wir zusammen sind, entwickelt hat ist es wirklich beeindruckend. Ich liebe es so sehr ihn zu beobachten und sein gutes Aussehen in meinem Gedächtnis aufzunehmen.

Besonders wenn er schläft könnte ich ihn ewig lang beobachten. Einmal hat er mich im Schlaf geküsst und gesagt "Gott sei dank hab ich dich mein Schatz" und ist wieder eingeschlafen. Wie unglaublich glücklich mich das gemacht hat kann ich garnicht beschreiben. Doch das er mich so sehr liebt und mich trotzdem verletzt macht es so unerträglich, nicht nur für mich, sondern auch für ihn. Wie muss es wohl sein eine Person zu lieben aber sie immer wieder zu verletzen und weinen zu sehen, weil man seine Gedanken und seinen Körper während der Wut nicht unter Kontrolle hat?

Es bricht mir immer wieder mein Herz, wenn ich dran denke, was er als Kind alles durch machen musste und auch was sein Vater dabei für eine Rolle gespielt hat & das er nun viele Dinge tut, die sein Vater auch tat und die er nie tun wollte aus diesem Grund.

Seit Tagen schreibe ich an diesem Text, Tage voller Streit und Liebe und Hass und Versöhnung und dem selben Teufelskreis. Ich frage mich, was er zu diesem Text sagen würde aber ich könnte mich nicht trauen ihn ihm zu zeigen, weil ich ihn oder wohl eher seine Wut schon zu gut kenne. Er würde das nie gegen mich verwenden, aber seine andere Person, welche er in seiner Wut ist, würde es auf jeden Fall tun. Vielleicht wäre es aber auch schön für ihn zu lesen wie viel gutes ich auch über ihn sage, weil ich oft das Gefühl habe, dass er sich nicht genug geliebt von mir fühlt.

Warum sonst sollte er Angst haben, dass ich ihn betrüge oder verlasse? Ich verbringe ein halbes Jahr schon mit ihm und die Hälfte der Zeit war oft sehr schlimm für mich, weil nach 3 Monaten diese Wut so schlimm wurde, dass er die Hand gegen mich erhoben hat. Und doch bin ich noch da, bin immer für ihn da gewesen und hab immer weiter gekämpft und ausgehalten. Warum sollte ich ihn jetzt verlassen? Ich habe schon zu sehr gekämpft und gelitten als das ich jetzt aufgeben würde.

Ich bin ein gläubiger Mensch, ich weiß das alles was passiert Gottes Wille ist. Er hat mir diesen Menschen nicht geschickt damit ich leide, das würde er nie. Vielleicht hat er mich in sein Leben geschickt, um ihn von dieser Aggression zu heilen, vielleicht musste ich diese Schmerzen ertragen, damit er sieht, dass er professionelle Hilfe braucht, welche er sich sonst nie geholt hätte. Dieser Gedanke macht mir Hoffnung.

Ich habe noch nie jemanden so sehr geliebt oder überhaupt geliebt wie ihn, das ist kein Zufall gewesen das wir uns getroffen haben und uns so leidenschaftlich lieben. Noch nie ist mir jemand so unter die Haut gegangen wie er, noch nie hat mich jemand so berührt oder gesehen wie er und noch nie habe ich jemanden so vertraut wie ihm, trotz seiner Unehrlichkeit in manchen Momenten.

Jeden Tag merke ich wie wir beide wachsen an unseren Problemen, wie wir gemeinsam reifer geworden sind im letzten halben Jahr und wie stolz ich deswegen auf ihn bin. Ich war noch nie so glücklich wie in den ersten Monaten unserer Beziehung, ich würde alles mit ihm durchstehen wollen was noch kommt aber ich weiß nicht wie viel Kraft ich noch in mir habe dafür, wie viel ich noch ertrage.

Vielleicht ist das auch mein Test wie stark ich bin und wie viel ich aushalten kann, damit ich noch stärker werde, damit unsere Beziehung noch tiefer geht. Wer durch die Hölle geht, hat den Hinmel verdient. Und wir sind gerade dabei uns den Himmel zu verdienen. Er, sobald er seine Wut kontrollieren kann und ich dann auch sobald er dieses Ziel erreicht hat. D

ann wird es nur noch bergauf gehen und wir werden endlich die Zukunft haben die der er mir immer wieder tief in der Nacht verspricht. Ich glaube an ihn und an unsere gemeinsame Zukunft und habe bis jetzt nicht die Hoffnung verloren, dass wir das alles schaffen.